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Klavierspiel, wie man es selten hört – Aghakaryan übertrifft sich selbst

geschrieben am 3. April 2019, veröffentlicht in Allgemein, tags: , , , , , , , .

von Hannes Sonntag

Würde sie dasselbe Programm am folgenden Tag noch einmal an einem anderen Ort gespielt haben – man wäre sofort hingereist, um es ein weiteres Mal zu hören.

Was die junge armenische Pianistin am letzten Märztag 2019 im Fürstensaal von Schloss Schieder bot, verdient in den Annalen dieser Konzertreihe einen roten Stern. Man fragt sich, wo hier die Parallelen liegen, wo Vergleichbares zu finden wäre? Vielleicht die junge Clara Haskil – aber das entzieht sich – leider – jeder Nachprüfbarkeit. Hat man indes die ganz Jungen im Ohr, wird sich eine solche Mischung von stupender Virtuosität und intimer Magie schwer finden lassen. Die Aura dieser Künstlerin (denn sie ist viel mehr als nur eine Pianistin) nimmt von Anfang an jeden einzelnen Hörer mit – und das ohne den geringsten körperlichen Affekt, der nicht unmittelbar der Musik selbst gelten würde.

Hripsime Aghakaryan, die großartig auch Haydn, Rachmaninov und Liszt spielte, steht bei Ravels ‚Miroirs‘ auf dem ungeteilten Höhepunkt ihrer Kunst. Die gewissermaßen introspektiv kalte Trauer der ‚Oiseaux tristes‘, die balancierte Ungleichzeitigkeit der diversen Glocken in ‚La Vallée des cloches‘ wirken in ihrer Interpretation als poetische Äußerungen von stiller, absoluter Wahrheit.
Der narkotische Klangrausch von ‚Une barque sur l’Océan‘ behält eine anrührende Schlankheit, etwas Fluides, im allerbesten Sinne Französisches, ganz nah an den Gemälde-Suggestionen eines Monet. Eine seltsame Sehnsucht erwacht, die umso echter wirkt als dass sie in nichts hier und heute Erlebtem entspricht. Und wenn Hripsime Aghakaryan sich gemeinsam mit dem Komponisten die trocken-spanische Maske aufsetzt, verwandelt sich das bloß Koloristische in die nackt existentielle, aber artistisch verbrämte Not eines Hofnarren zu alter spanischer Zeit.

Ich gestehe gern, dass diese Version der ‚Miroirs‘ die eindrücklichste ist, die mir bisher zu hören vergönnt war. Man spricht von ‚Chopinisten‘, in Russland gar von ‚Skrjabinisten‘ – um Hripsime Aghakaryans willen sollte vielleicht der Titel einer ‚Ravelistin‘ erfunden werden.

Suggestion der leisen Töne

geschrieben am 30. November 2018, veröffentlicht in Allgemein, tags: , , , , .

von Hannes Sonntag

Ja, so oder ähnlich muss es geklungen haben im Umkreis der Schubert, Schumann, Mendelssohn und Brahms – in den Ohren und für die Ohren jener Freunde, Kollegen, Förderer und Bewunderer, die in seelenverwandter Nähe um die Gestalten der großen Meister kreisten. Ihnen allen ging es um das Verstehen, das Erfühlen von Musik, die natürlich und direkt zu ihnen sprach. Um emotionalen Austausch. Und es waren auch Gemeinschaft und Freundschaft mit im Spiel.

Das Klavierspiel Natalia Ehwalds entführt in die Welt jener Zirkel, denen Kultur nicht Lippenbekenntnis, sondern ureigenste Lebensform war. Dieses Spiel ist so bemerkenswert uneitel, zielt nicht auf Verallgemeinerung und Verwertbarkeit, lässt sich auf keinerlei Effekte ein, schlägt nirgendwo virtuosen Schaum. Man versteht auf einmal die gewissermaßen moralische Empörung Clara Schumanns angesichts des oftmals selbstdarstellerischen Gehabes eines Liszt und seines Jünger-Kreises. Was nicht etwa die Abwesenheit oder Ablehnung von Brillanz bedeutet, wohl aber die absolute Unterordnung des Technisch-Materiellen unter das sanfte Diktat des Geistigen – und gleichzeitig einen Fokus auf den vielfältig abgestuften Klang, die zwei- und dreifachen pianissimi, auf das innere Singen und die stille Betroffenheit angesichts des in Worten nicht Fassbaren.

Natalia Ehwald spielt Klavier wie man es heute nur ganz selten (vielleicht aber auch allmählich wieder) hört. Gott Dank sind die Welten der Klaviermusik jedoch so überbordend voll wunderbarer und gänzlich unterschiedlicher Literatur, dass in vielen unterschiedlichen pianistischen „Tempeln gebetet“ werden und das artistische Hochseil in friedlicher Koexistenz neben der Innerlichkeit des romantischen Bekenntisses existieren kann.

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Wunderbar leicht – Charlotte Hahn und ihre Marimba-Künste

geschrieben am 26. Mai 2018, veröffentlicht in Allgemein, tags: , , , .

von Hannes Sonntag

Wer sagt denn, dass klassische Musik stets finster zu sein habe, mit Sorgenfalten, Seelenfurchen und Herzenspein? Schon immer haben Komponisten auch um die wunderbare Leichtigkeit des Seins gewusst: gern der große Bach als Suiten-Meister, Joseph Haydn mit aufgeklärter Heiterkeit in so vielen seiner Symphonien – von der Wiener Strauß-Dynastie und Mozarts „Entführung aus dem Serail“ gar nicht zu reden.

Charlotte Hahn, jung, brillant und sympathisch, war eine fesselnde Botin dieses musikalischen Segments. Gerade weil kontrastierend zuweilen auch melancholische Akzente wahrzunehmen waren, bestätigte sich der intensive Eindruck von Spielfreude, blitzender Musikalität und atemberaubender Reaktionsfähigkeit.

„Als ob ich selbst zum Klangkörper würde“ brachte es eine enthusiastische Hörerin nach dem Konzert auf den Punkt. Warum auch sollte ein klassisches Konzert nicht pure Freude schenken können – wie ein Glas Champagner oder der strahlende Frühlingstag, in den das Publikum nach zwei Zugaben hinausströmte.

 

Zwei expressive Solisten – Kopf & Bönniger

geschrieben am 13. Februar 2018, veröffentlicht in Allgemein, tags: , , , , , , .

von Hannes Sonntag

Finster wirkten sie, ganz in sich selbst versunken und doch zu allen Schandtaten bereit. Der Sprecher Markus Kopf und der Schlagzeuger Ben Bönniger vereinten sich zu einem Cross over-Duo, wie es die Schlosskonzerte so bislang noch nicht erlebt hatten.

Beide sind Virtuosen ihres Fachs, bleiben einander nichts schuldig – ihre Bühnenpräsenz ist zwingend und ihre Ausdruckskraft nicht weniger gewaltig als feinsinnig. So gelang im leicht abgedunkelten Fürstensaal eine rundum überzeugende, gewissermaßen neu kreierte Kunstform. Die Meistererzählungen von Akutagawa (Im Dickicht) und Edgar Allan Poe (Das verräterische Herz) steigerten sich zu einer Art Gesamtkunstwerk, dem das abweichend im Halbkreis platzierte Auditorium gebannt lauschte.

Markus Kopf präsentierte sich dabei nicht nur als suggestiver Leser, sondern ließ auch alle Facetten seines schauspielerischen Könnens aufblitzen: die Gestalt des scheinbar coolen Wahnsinnigen, die personifizierte Schizophrenie befand sich mitten im Raum.
Ben Bönniger fand grandiose schlagzeugerische Entsprechungen – viel, viel mehr als Klangkulisse oder Komparserie. Hier wurde das musikalische Szenario gleichberechtigtes Ego zweier genialer literarischer Vorlagen.

Dem tief beeindruckenden Duo ist mehr als zu wünschen, dass seine Programmatik mit dem sinnfälligen Namen LiteraTon Schule macht – in den Ohren und Augen eines Publikums, dessen äußerst gespannte Konzentration sich nach den letzten Worten und einem Herzschlag Schweigen begeistert Luft macht: in echter, unverhohlener Freude.

Große Tradition ganz neu

geschrieben am 5. Dezember 2017, veröffentlicht in Allgemein, tags: , , , , .

von Hannes Sonntag

De Maeyer - Kende Fürstensaal

In einer Zeit, die dem Star als öffentlicher Kultfigur, dem Namedropping und dem medialen Glitzern wie selbstverständlich Priorität gewährt, ist ein Hinweis auf die originären musikalischen Tugenden wichtiger denn je.

Denn was eigentlich ist Musik im Kern? Ganz sicher – neben und jenseits virtuoser Professionalität – das Aufrufen des Menschlichen in all seinen klanglichen und emotionalen Aspekten. Empathisches Aufeinander-Eingehen gehört dazu, das Zurückstellen des Egos zugunsten eines übergeordneten Werk-Anspruchs, Respekt vor der geistigen Botschaft des Komponisten.

Was jüngst im Fürstensaal zu hören war, löste auf beinah ideale Weise diese Ansprüche ein. Die Geigerin Jolente De Maeyer und der Pianist Nikolaas Kende machten mit ihrem wunderbaren Duo-Spiel den intimen Fürstensaal auf Schloss Schieder buchstäblich still – will sagen, sie führten all ihre künstlerischen Qualitäten in höchster Konzentration den Protagonisten des Abends zu. So konnte man dem frühen Mendelssohn, dem jungen Schubert und Beethovens überwältigender ‚Kreutzer-Sonate‘ lauschen, als gebe es nichts anderes auf der Welt.

Das Credo des Großmeisters aus Bonn – „Von Herzen, möge es wieder zu Herzen gehen“ – löste sich an diesem Abend tief berührend ein. Solches Kammermusik-Spiel ist selten zu hören und löste jene Qualität von Begeisterung aus, die nur aus wirklicher Überzeugung entsteht.

Dem jungen Künstlerpaar aus Belgien ist weiterhin nur Erfolg zu wünschen – um seiner selbst, doch ebenso um der musikalischen Bereicherung des Publikums Willen!