Achttausender der Klaviermusik – Chi Ho Han und die Gipfel der Sonatenwelt

von Hannes Sonntag

Chi Ho Han liveDass brillante junge Pianisten brillante Programme spielen, ist nichts Ungewöhnliches – und auch der atmosphärische Funkenflug mag dann unbedingt dazugehören.

Dies und mehr war beispielhaft gegeben, als der fünfundzwanzigjährige koreanische Pianist Chi Ho Han den völlig überfüllten Fürstensaal zu Beifallsstürmen hinriss. Und allein solch überragend professionelles Klavierspiel wäre der Bewunderung wert. Welch ein dem Laien kaum vorstellbares Übe- und Arbeitsleben ist dem vorausgegangen!

Doch da war viel mehr. Ein Pianist, ob zwanzig oder sechzig oder achtzig, der es wagt, Beethovens erratische Hammerklaviersonate op. 106 und Liszts große h-moll-Sonate an einem Abend zu bieten, muss zweierlei besitzen: enormen künstlerischen Mut und eine ganz persönliche Botschaft. Würde auch nur eins von beiden fehlen, wäre ein eklatantes Scheitern gewiss. Und so liegt eine sehr ernst gemeinte kollegiale Anerkennung darin zu sagen: ja, es war ein echtes musikalisches Erlebnis. Denn die architektonische Dimensionierung und existentielle Erfüllung in dieser Beethovenschen Ausnahme-Sonate waren ebenso greifbar präsent wie das grandiose Lebensgefühl in Liszts Jahrhundertwerk.

Dass Chi Ho Han – gewissermaßen nebenbei – auch noch Karol Szymanowskis selten zu hörenden Etüdenzyklus op. 33 bot, würde in anderem Kontext eine eigene Spalte füllen. An einem so besonderen Abend belegte dieser Umstand nur, dass natürlich auch außerhalb der kompositorischen „Schneeregion“ überaus interessante und entdeckenswerte Musik zu finden ist.

Chi Ho Han

Szymanowski – ein Moderner?

von Hannes Sonntag

Ja, was ist er nun: ein allerletzter Romantiker, ein verkappter Impressionist, ein früher Moderner? Darüber lässt sich leidenschaftlich streiten – und doch muss jedes scheinbare Ergebnis mit dem Makel seiner Vorläufigkeit leben.

Pietsch-EisingerUmso dankenswerter die Tatsache, dass die Geigerin Franziska Pietsch und der Pianist Detlev Eisinger die hierzulande selten zu hörenden ‚Mythes‘ opus 30 an zentraler Stelle ihres Programms positioniert hatten. So war höchste Aufmerksamkeit garantiert und der Musik in besonderer Weise erlaubt, für sich selbst zu sprechen. Dass solche instrumentale Perfektion, solche Hingabe ans Werk, solch gezielte interpretatorische Verführungskunst zusätzlich das Ihre tun, um schließlich unhinterfragendes Staunen zu erregen, darf bewundernd vermerkt werden.

So blieben die beschworenen antiken Gestalten nicht mit sich allein, sondern tummelten sich in ungezählten neuen Klanggesten mitten unter uns – auch ganz jenseits ihrer altgriechischen Vorgaben und unabhängig von haarsträubenden spieltechnischen Herausforderungen. Was also ist er, dieser Karol Szymanowski? Nun, ganz sicher ein aufregender, staunenswerter Komponist, den man viel zu wenig kennt. Richtig, gestorben ist er 1937, kurz bevor das 20. Jahrhundert dabei war, in seine zweite Katastrophe zu entgleisen. So hat Karol Szymanowski, der eben auch ein zutiefst polnischer Komponist war, die kulturelle Zerstörung seines Vaterlandes nicht mehr miterleben müssen.