Professionalismus pur: Nirse González & Friederike Wiechert-Schüle
von Hannes Sonntag
Worte in unser aller Mund: Profi, professionell, Professionalismus, von alltagstauglichen Adjektiven wie „profimäßig“ ganz zu schweigen. Sie alle sollen professionell sein: vom Piloten bis zur Friseuse, vom Fliesenleger bis zum Chirurgen.
Was aber bedeutet der Begriff für den konzertierenden Musiker? Natürlich: Beherrschung des instrumentalen Handwerks, Versiertheit im Umgang mit Notentexten, Kenntnis der „musikalischen Sprache“ und vieles mehr. Aber eben auch dies: sich seines Könnens so schlafwandlerisch sicher zu sein, dass zwei Tage reichen, mit einem aus der Ferne angereisten Musizierpartner ein völlig homogenes konzertantes „Duo-Produkt“ zu generieren.
Es ist die hohe Kunst des sogenannten Einspringens – wie geschehen in der Pfingstmatinée 2019. Die Profis des Tages: der Gitarrist Nirse González und die Flötistin Friederike Wiechert-Schüle. Beide sind hochkarätige Solisten, beide aber auch Kammermusik-affin bis in die Fingerspitze (die ja ohnehin von „tragender Bedeutung“ beim Instrumentalspiel ist).
Da ist partnerschaftliches Vorausahnen bereits Handlungsanweisung für die nächste Zehntelsekunde, ein Atemzug von nebenan das Eröffnen eines neuen Klangraums – und wenn die Musik jene emotionale Verführungsqualität besitzt wie im Falle des dargebotenen spanisch-lateinamerikanischen Programms, sind farbiges musikalisches Leben und spontane Freude garantiert.
Der prallvolle Fürstensaal und die Veranstalter dankten es den beiden Interpreten mit begeistertem Beifall im ersten und – zugegeben – einem sehr erleichterten Handschlag im anderen Falle.
Wunderbar leicht – Charlotte Hahn und ihre Marimba-Künste
von Hannes Sonntag
Wer sagt denn, dass klassische Musik stets finster zu sein habe, mit Sorgenfalten, Seelenfurchen und Herzenspein? Schon immer haben Komponisten auch um die wunderbare Leichtigkeit des Seins gewusst: gern der große Bach als Suiten-Meister, Joseph Haydn mit aufgeklärter Heiterkeit in so vielen seiner Symphonien – von der Wiener Strauß-Dynastie und Mozarts „Entführung aus dem Serail“ gar nicht zu reden.
Charlotte Hahn, jung, brillant und sympathisch, war eine fesselnde Botin dieses musikalischen Segments. Gerade weil kontrastierend zuweilen auch melancholische Akzente wahrzunehmen waren, bestätigte sich der intensive Eindruck von Spielfreude, blitzender Musikalität und atemberaubender Reaktionsfähigkeit.
„Als ob ich selbst zum Klangkörper würde“ brachte es eine enthusiastische Hörerin nach dem Konzert auf den Punkt. Warum auch sollte ein klassisches Konzert nicht pure Freude schenken können – wie ein Glas Champagner oder der strahlende Frühlingstag, in den das Publikum nach zwei Zugaben hinausströmte.
So sollte jeder Sommer klingen
Es kann zutiefst freuen, wenn musikalische Ereignisse sich so strahelnd einlösen, wie sie erwartet wurden.
So jüngst geschehen bei Krisztián Palágyi, dessen wunderbar brillantes, spontanes Akkordeon-Spiel sich so ganz mit dem Bild jenes sympatischen jungen Künstlers deckte, der uns, sein Instrument fest in beiden Armen, im Bild entgegenlächelte.
Das meisterliche Spiel des gebürtigen Ungarn geriet zu einer einzigen Werbeveranstaltung für sein im Aufwind aktueller musikalischer Orientierung segelndes Instrument. Der berühmte Funke zündete sprichwörtlich – die Inspiration hätte noch gut und gern für weitere Stunden gereicht.
Eine Wiederbegegnung mit Liv & Marian Migdal
Woher dieses Gefühl von Gelöstheit, von heiterer Konzentration und emotionaler Wärme? Natürlich, Mozart und Beethoven (und Claude Debussy nicht weniger) verstehen sich auf die Kunst, aus der meisterhaften Regie des musikalischen Einfalls so etwas wie gute Laune und Hörerglück werden zu lassen.
Doch dergleichen muss auch real, will sagen klanglich ins Leben kommen. Wunderbar plastisch gelang das dem Pianisten Marian Migdal und der immer noch so sympathisch jungen Geigerin Liv Migdal, deren Ausdruckskraft und interpretatorisches Gewicht in den letzten Jahren noch auffallend gewachsen sind.
Erfahrene Hörer merken schnell, wie dicht ein Ensemble miteinander musiziert: das Duo Migdal lebt erkennbar aus der kreativen Balance tiefer gegenseitiger Vertrautheit. Und auch das darf einmal erwähnt sein – wie ungemein anziehend wirkt angesichts solch großen Könnens der Charme persönlicher Bescheidenheit!
Eine rundum genussvolle Matinée, leichter und sommerlicher als alles, was die Jahreszeit bislang zu bieten hatte.
Sommer, Sonne, Saxophon…
Auch wenn seine Inszenierung eher in den Bereich von Film und Fernsehen zu gehören scheint, es gibt ihn sozusagen auch live: den perfekten Tag.
Als am Sonntagmorgen, dem 10. Juni 2012, pünktlich auf die Minute um 11.00 Uhr das Duo Conflux seine Konzert-Matinée im Fürstensaal startete, hatten inmitten des Publikums auch Dr. Armin Prinz zur Lippe, Dr. Traute Prinzessin zur Lippe und der SPD-Fraktionsvorsitzende Dr. Frank-Walter Steinmeier Platz genommen. Alle gemeinsam lauschten dem instrumentalen Feuerwerk der beiden jungen Instrumentalisten Erik Nestler und Kirstin Niederstraßer, die auch mit verbalem Charme durch ihr Programm führten. Die sanfte Sorge vorab, ein Klangpanorama mit überwiegend zeitgenössischen Komponisten wie etwa Hindemith und Bartok könnte vielleicht ein ‚Zuviel‘ an dissonantem Gewürz enthalten, erwies sich als gegenstandslos angesichts der konzentrierten Interaktion zwischen den Solisten aus Köln und den Schiederaner Konzerthörern.
Nach einer guten Stunde Musik, begeistertem Schlussapplaus, virtuosen Zugaben sowie Blümchen für die Dame und Wein für den Herrn öffnete sich die Tür hinaus auf Terrasse und Treppe in den französischen Garten. Und nun zeigte sich, was ein lippischer Sommertag in Bunde mit einem barocken Sommerschloss wirklich können: einfach um die Wette strahlen, die Musik noch im inneren Ohr mit einem Glas Sekt an weißen Tischchen stehend die blendende Laune des Augenblicks genießen. Und ganz zum Schluss kam dann auch Frank-Walter Steinmeier heraus, der es sich nicht hatte nehmen lassen, dem Duo Conflux ganz privat in einem ausführlichen Gespräch zu begegnen.