Gedanken zu einem Ausnahme-Geiger

von Hannes Sonntag

Man ahnt oder weiß es vorher – und ist dann doch immer wieder aufs Höchste erstaunt: zu welch unglaublichen Leistungen ein Interpret auf dem Podium emporwachsen kann.

Ja, natürlich sind da eine immense Begabung und sicherlich ein nicht weniger immenser Fleiß, Talent und Arbeit. Und fraglos standen der instrumentalen Entwicklung großartige Lehrer zur Seite. Aber all das beschreibt letztlich nur das Vorfeld des künstlerischen Ernstfalls. Denn dann kommt die lebendige Begegnung mit einem Publikum, das überzeugt und mitgerissen werden will – ganz gleich ob in einer großstädtischen Philharmonie oder der Intimität eines Kammermusiksaals wie dem auf Schloss Schieder.
Dann muss es klingen, als erklänge es zum ersten Mal. Konzentration, Wachheit und Versenkung müssen gleichbleibend „auf Sendung“ bleiben. Und Ton und Tonfall sollen direkt ins Ohr (was immer heißt: ins Herz) des Hörers gelangen. Erst das ist der Moment der Wahrheit, der fast zwei Stunden dauernde „Augenblick“ der konzertanten Entscheidung.
Und dann erweist sich eben auch, warum dieser junge Künstler – Sergey Dogadin – sich zu Recht in einer derart superlativischen „Karriere-Umlaufbahn“ befindet. Und noch etwas anderes wird klar, etwas, das eigentlich selbstverständlich sein sollte, es jedoch heute keineswegs mehr ist: es gibt schlechterdings keinen Ersatz für das öffentliche Life-Konzert. Keine noch so ausgefuchste digitale Aufnahme gibt wieder, was an direktem Erlebnis im Konzertsaal vermittelt werden kann – ganz besonders in einem kleinen Saal, der unmittelbare Sicht und Teilhabe garantiert.

Ravel, Franck, Stravinsky und Rosenblatt wurden zum Event – im allerbesten Sinn des Wortes. Und es bedeutet nicht im Mindesten eine Wertung, wenn erst an dieser Stelle des Duos gedacht wird: gemeinsam mit dem hervorragenden Pianisten Gleb Koroleff realisierte sich ein exzellentes Kammermusikspiel, dessen solistische Fasson eine in solcher Art absolut gültige Version darstellte.
Gerade die erfahrenen Konzerthörer sind dankbar für das Besondere. In diesem Sinne darf ich sagen: ich war dankbar für diesen Abend.