Jung und reif – Gedanken zu Chamots wunderbarem Klavierabend
von Hannes Sonntag
Es gibt Zeitzeichen, die Hoffnung machen. Hoffnung, dass die teils unerträgliche Verflachung und Pauschalisierung des sogenannten Musikbetriebs erfolgreich unterlaufen werden kann.
Ja, immer noch ist international die Zahl derer groß, die jung, muskelschwingend und musikalisch ahnungslos auf den Markt drängen. Die erstaunt aufblicken, wenn man ihr selbstverliebtes Ego hinterfragt – ob es da denn außer formaler Perfektion und Karrierelust vielleicht noch anders gebe, Kriterien, die in der Musik selbst zuhause sind, Verantwortung gegenüber dem Komponisten?
Doch immer öfter (freilich, man muss schon hinhören) erlebt man neuerdings junge Musiker (oft wirklich sehr junge Musiker), die ihre persönlichen Imperative tief „in der Sache selbst“ wahrnehmen, hoch-reflektiert und gleichzeitig bescheiden, enorm begabt, aber innerlich auf der Suche.
Hört man also, so jetzt auf Schloss Schieder, einen jungen Pianisten wie Dominic Chamot die große Sonate in B-Dur von Schubert spielen, erlebt, wie es ihm gelingt, über die ganze erste Hälfte eines Klavierabends hin ein atemlos lauschendes Publikum ungebrochen durch die Seelenlandschaft dieser Musik zu führen – dann stellt sich die Frage, ob es unter den heutigen Jungen noch echte Künstler gebe, nicht mehr. Gott sei Dank.
Das Programm bot neben einer geistreich taufrischen Wiedergabe von Beethovens erster Klaviersonate auch Liszts Konzertparaphrase ‚Reminiscences de Norma‘ – und sogleich wurde klar: ja, in der Leichtigkeit liegt die wahre Virtuosität (wie unter der Zirkuskuppel oder in der Reitkunst), nicht im Dampfbetrieb hochtouriger Kraft.
Intimer, heimlicher Höhepunkt aber war Leos Janaceks Klavierwerk ‚Im Nebel‘. Sich als Pianist in diese abgewandte, verletzliche, zart suggerierende Musik zu verlieben, ist für sich schon ein Qualitativum. Sie aber mit solch gleichgerichteter Innigkeit, mit so viel werbendem Impetus zu spielen wie Dominic Chamot – das erschafft jenes nachhaltige emotionale Erlebnis, um dessentwillen allein wir letztlich Musik machen oder hören.