Wenn Flügel fliegen
Große Ereignisse brauchen auch ihre Helfer – Engel, wenn man so will, die Kommendes beflügeln. Für einen besonderen Klavierabend heißt das: ein besonderes Intrument. Aber woher nehmen, wenn nicht stehlen?
Doch da gibt es das ‚Haus der Klaviere Gottschling‚ mit seiner Bösendorfer-Vertretung im Münster-nahen Dülmen. Als Sponsorship der klingenden Art wurde uns für den Klavierabend Chi Ho Han (siehe Konzertbericht unten) ein Bösendorfer-Konzertflügel gestellt. Der Chef des Hauses, Gernot Gottschling, war eigens mit angereist, um das edle Wiener Instrument auch in der Konzertpause zu betreuen – was einen Hauch von Metropolen-Gefühl verbreitete…. Dank also dem Hause Gottschling!
Damit nicht genug. Entgegen dem Leichtigkeit suggerierenden Begriff „Flügel“ wiegt ein solcher Koloss gut und gerne seine mehr als vierhundert Kilo. Da steht er dann und wartet darauf, dem Wortsinn zuwider, seinerseits Flügel zu bekommen. Und auch hier boten sich helfende Hände – sehr feinfühlige Hände übrigens, die einen Kran zentimeterweise zu steuern wussten.
Daniel Stoffelen vom Garten- und Landschaftsbau Stoffelen dirigierte den Bösendorfer-Flügel, die südliche Schlosstreppe überwindend, buchstäblich durch die Lüfte. Ein Schauspiel eigener Art: nicht nur zufällige Passanten blieben staunend stehen, um die Dinge zu verfolgen, auch die Beteiligten selbst sollen dabei beobachtet worden sein, wie sie unwillkürlich die Hände falteten – zum Stoßgebet?
Doch zum Glück gibt es Professionalismus überall – nicht nur am Klavier, sondern auch in dessen weitem Umfeld!
Ein Bösendorfer für Michail Lifits
Flügel, wenn es denn Konzertflügel sind, können nicht fliegen. Wohl aber, wenn sie zuvor ‚eingeflogen‘ werden, einen Interpreten und sein Auditorium beflügeln.
So geschehen beim ersten Konzert der neuen Saison 2012/13 auf Schloss Schieder. Dank eines großmütigen Sponsorings vom Haus der Klaviere Gottschling stand dem Pianisten Michail Lifits für Mozart, Rachmaninow und Schumann ein wundervoller Bösendorfer-Konzertflügel zur Verfügung. Wir glauben, jedermann im Publikum empfand, wie vollendet der edle, so kultivierte Klang dieses Traditionsinstruments aus Wien in die Intimität des Fürstensaals passte.
Besonders der Wahlwiener Mozart hätte sich unter den Händen von Michail Lifits kaum Besseres wünschen können. Die ebenso beredten wie glasklaren Mozart-Darbietungen des jungen Ausnahmepianisten berührten in ihrer gleichsam klangzeichnerischen Qualität zutiefst. Jeder einzelne Ton konnte hier seine am Ideal des Streicherklangs orientierte Stimme entfalten.
Michail Lifits‘ Schumann-Spiel offenbarte den wahrhaften Künstler vielleicht noch umfassender: selten haben wir die Kreislerianer so emotional, innig und mit jedem organischen, atmenden Zeitgefühl erlebt wie an diesem Abend. Große Vergleichsnamen – Rubinstein, Kempff – lagen hier buchstäblich in der Luft. Das war ein Klavierspiel meilenweit entfernt von den zahllosen kalt-digitalen Varianten, die man heute überall anzutreffen gewohnt ist. Es versteht sich von selbst, dass der Bösendorfer diesem Spektrum warmer Innerlichkeit geradezu ideal entsprach. Ja, und selbst die Fülle und Attacke von Rachmaninows Corelli-Variationen waren beim ‚Duo Bösendorfer-Lifits‘ bestens aufgehoben.
Wir wünschen Michail Lifits die erfolgreiche Fortsetzung seiner exzellenten Karriere! Und uns selbst, dass der Bösendorfer-Flügel intensiv genug an Schloss Schieder denken möge, um möglichst bald – mit dem Schwung beherzter Förderer – wieder an den Ort eines so beseelten Musizierens zurückzukehren.